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Begriffsgeschichte des Volkspalasts |
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Der "Volkspalast" ist nicht nur der Spielraum der programmatischen kulturellen Zwischennutzung des ehemaligen Palasts der Republik. Der "Volkspalast" als öffentliches kulturelles Gebäude ist die Kombination zweier unterschiedlicher Konzepte: des Volkshauses und des Kulturpalastes.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich mit Industrialisierung und Urbanisierung die "Volkshausbewegung", die sich bald institutionalisierte: 1884 entstand mit der Toynbee-Hall in London der erste öffentliche Ort, der für eine kulturelle Erbauung, Unterhaltung und Erziehung der Arbeiter gedacht war. In Vereinen sollte Kulturarbeit geleistet werden, aktiv wurde zu Selbstbestimmung in der Freizeit, "Erhebung des Gemüts" und "Erziehung im vaterländischen Geiste" beigetragen.
Im Laufe ihrer Entwicklung wurde die Unterstützung der Arbeiterklubs, vordem zumeist aus Spenden und Stiftungen finanziert, immer häufiger durch öffentliche Gelder geleistet, um die Massenverelendung zu stoppen und eine Kultivierung des Proletariers zum Arbeiter, zum sich aktiv gesellschaftlich und kulturell definierenden Werktätigen, zu ermöglichen.
Architektonisch ist der Volkspalast grundlegend mit der Idee der Moderne verbunden. So realisierte in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts das Neuen Bauen und der russische Konstruktivismus Volkshäuser, Maisons de Peuple und Kulturpaläste als neue Gebäudetypologie.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten nahm die kulturelle Emanzipation der Arbeiterklasse ein jähes Ende, ihre Vereine und Kulturhäuser wurden geschlossen. Die Volkshäuser wurden umfunktioniert zu "Tempeln öffentlicher Betätigung" und "Häusern der Arbeit", um daraus Gefolgschafts- und Kameradschaftsräume zu machen, die eine von der NSDAP regulierte Kulturarbeit steuerbar machte.
Nach dem 2. Weltkrieg war die Autonomie kultureller Selbstentwicklung der Arbeiterschaft verloren. Während sich der Westen programmatisch nicht darum kümmerte, eine gesamtgesellschaftliche Kultur zu verdichten, begann man in der DDR staatlich kontrolliert und strukturiert mit dem Bau von Kulturpalästen. Vorbild dafür waren die Kulturpaläste der Sowjetunion, die sie als "Staatsgeschenke an das werktätige Volk der DDR" einführten.
Für den Bau des Palasts der Republik besann man sich auf die ursprüngliche Idee der Volkshäuser und verband sie mit dem Konzept des reinen staatlich kontrollierten und regulierten Kulturpalastes. So wurde der Palast der Republik unter dem Motto eines " offenen, ganz alltäglichen, Gemeinschaft bildenden und idealerweise staatsfernen, selbstregulierten Ort" einer freien Bespielung "von Bürgern für Bürgern" gebaut - die Realität war eine andere.
Trotz des politischen Missbrauchs der Idee des Volkspalastes hat das Konzept seine Relevanz bis heute erhalten, mit dem Verschwinden der proletarischen Klasse eine neue Bedeutung gewonnen, wie das Projekt Funpalace von Joan Littlewood und Cedic Price sowie das Centre Pompidou in Paris aufzeigen. Die Idee des Volkspalastes richtet sich gegen das bürgerliche Kulturverständnis klassischer Institutionen von Museum, Konzerthaus, Oper usw. und überwindet nicht nur die Grenzen zwischen den einzelnen kulturellen Genres, sondern ebenso zwischen Hoch-, Populär- und Subkultur, zwischen Kulturbetrieb und gesellschaftlichem Diskurs.
Idealiter ist der Volkspalast als "aktiver öffentlicher Ort der freien Kunstproduktion" des Staatsbürgers zu verstehen, als Raum des Bürgers und als Raum der Gesellschaft.
Die jetzige offene Bespielung des Palasts der Republik knüpft an diesen Gedanken an und wird den Palast der Republik an die Öffentlichkeit zurückgeben.
Quellen:
Horst Groschopp: Breitenkultur in Ostdeutschland. Herkunft und Wende - wohin?, in: Politik und Zeitgeschichte B11/2001
Simone Hain: Das Volkshaus der DDR. Zur Entwurfsgeschichte und Funktionsbestimmung, in: Thomas Beutelschmidt, Julia M. Novak (Hrsg.): Ein Palast und seine Republik. Ort, Architektur, Programm
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